Warum sich Händler nicht gegen Retouren wehren sollten

Eine kontroverse These entgegen der landläufigen Meinung

Die Deutschen kaufen online. Und das immer häufiger und mehr. Derzeit werden sie nur von den Briten und den US-Amerikanern überboten. Der E-Commerce boomt und der Internet-Handel wird über die nächsten Jahre stetig wachsen. Das führt auch dazu, dass ausländische Online-Anbieter und Dienstleister ihren Fokus auf den deutschen Markt legen. Der zunehmende Wettbewerb zwingt Händler dazu Kosten zu minimieren und Gewinne zu maximieren. Ein Begriff, welcher in diesem Zusammenhang stets fällt, ist das Wort “Retoure”.

Retouren — Die Achillesferse des Online-Handels

Retouren stehen für die Schwachstelle des Onlinekaufs. Verbraucher können sich die Produkte nicht ansehen, anfühlen oder anprobieren. Noch nicht. Vor einem Jahrzehnt standen die meisten noch in der Schlange vor der Umkleidekabine, um die Kleidung erstmal anzuprobieren bevor diese gekauft wurde. Heute wird die Jeans einfach in 3 verschiedenen Größen oder das T-Shirt in allen Farbvariationen bestellt. Was nicht passt oder gefällt wird zurückgeschickt und das vorzugsweise auf Kosten des Händlers. Und die Deutschen sind Weltmeister im Retournieren — 280 Millionen Paketewerden jedes Jahr zurückgeschickt.

Die durchschnittliche Retourenquote liegt bei ungefähr 15 %, jedoch variiert dieser Prozentsatz von Segment zu Segment und fällt für manche Händler um ein vielfaches höher aus. Des Weiteren müssen in der Regel 10 Euro Kosten pro Retoure veranschlagt werden und das kann schnell einen großen Kostenblock darstellen. Vor allem wenn es keine Lösung gibt, den Restwert der Ware auszuschöpfen.

Schlagwort “Präventives Retourenmanagement”

Natürlich wurde und wird das Problem “Retoure” nicht als gegeben akzeptiert. Es gibt zahlreiche innovative Lösungsansätze die Retourenquote zu minimieren. Dass diese auch hilfreich und effektiv sind, ist nicht zu bestreiten. Grundsätzlich sollte jeder Online-Händler auf folgende Grundvorraussetzungen achten:

  • Produktpräsentation: Dazu gehören Bilder und Beschreibungen sowie eine genaue Anleitung die richtige Größe zu finden. Bei technischen Produkten sind genaue Angaben zu dem Zubehör, Systemvorraussetzungen und der Kompatibilität notwendig.
  • Kundenbewertungen: Sind ein entscheidender Faktor bei der Kaufentscheidung und vor allem
  • Produktverpackung: Die Ware sollte sicher verpackt sein, um unversehrt beim Kunden anzukommen. Für ein gutes Kauferlebnis sollte zudem auf die Aufmachung der Verpackung geachtet werden.
  • Versandzeit: Verbraucher wollen nicht lange auf ihre Bestellung warten. Daher sollten die Versandzeiten auf ein Minimum verkürzt werden und der Kunde über den Prozess auf dem Laufenden gehalten werden.
  • Qualitätsprüfung: Bereits bei dem Eintreffen der Ware im Lager, sollte deren Qualität überprüft werden, um im Voraus Mängel und Defekte auszuschließen.

Dies sind nur einige von zahlreichen Möglichkeiten Retouren zu reduzieren. Jedoch geht es bei diesem Beitrag darum für Retouren zu argumentieren und aufzuzeigen, warum es Zeit ist diese nicht nur zu akzeptieren, sondern auch zu befürworten.

Retouren sind nicht so schlecht wie ihr Ruf

Man stelle sich einen Online-Händler mit gar keinen Retouren vor. Für die meisten Shops ist dieses Szenario ein erstrebenswertes Ziel. Spinnen wir jedoch den Gedanken weiter. Das gleiche Szenario könnten wir jetzt auf einen stationären Händler übertragen, beispielsweise im Modebereich. Dieser bemerkt, dass kaum Kunden Ware in der Umkleide anprobieren. Dieses Szenario würde man generell nicht als etwas Positives ansehen.

Händler im Internet-Handel müssen sich darüber im Klaren sein, dass bei einem Online-Kauf die endgültige Entscheidung über den Kauf Zuhause beim Kunden fällt. Die Kaufentscheidung wurde quasi vom Spiegel in der Umkleidekabine zu dem Spiegel daheim verlagert. Manchmal hilft hier auch die ausgefeilteste Technik nicht und die Jeans sitzt nicht richtig, die Kommode ist doch ein Hauch zu breit oder der Laptop ist einfach zu umständlich zu bedienen. All das bemerkt der Kunde aber erst, wenn er das Produkt schlussendlich in der Hand hat. Verbraucher möchten trotz allem nicht auf die Vorteile des stationären Handels verzichten. Händler, welche die Vorteile des Online- und Offline-Shoppings vereinen können, werden die Konkurrenz bald hinter sich lassen.

Retouren — ohne geht´s nicht

Was bedeutet es also, wenn ein Händler eine sehr geringe Retourenquote hat? Es kann bedeuten, dass Verbraucher den Rückgabeprozess schon im Vornherein für zu umständlich befinden. Laut dem Forschungsinstitut ibi research haben beispielsweise bereits 39 % der Befragten einen Kauf aufgrund von gebührenpflichtiger Retouren abgebrochen. Ein umständlicher Rückgabeprozess zusammen mit Rücksendungskosten schrecken Verbraucher ab. Aufgrund des starken Wettbewerbs ist es für den Kunden einfacher denn je sich den Onlineshop zu suchen, der eine simple und kostenlose Rücksendung anbietet. Vor allem bei Anbieter von standardisierten Produkten ist dies heutzutage ein leichtes.

Händler mit einer, im Vergleich zu anderen Unternehmen im selben Segment, sehr geringen Retourenquote sollten sich daher Gedanken darüber machen, ob ihr Rückgabeprozess abschreckend auf Verbraucher wirkt. Studien zeigen, dass eine einfache, schnelle und kostenlose Rückgabe sich nicht nur positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirkt, sondern auch die Loyalität stärkt. Verbraucher haben das Vertrauen Ware kaufen zu können und diese ohne Umstände und Kosten zurückzugeben. Um heutzutage konkurrenzfähig zu bleiben, sollten Händler auf folgende Faktoren achten:

  • Die Rückgabe sollte so einfach wie möglich gestaltet werden. Dazu gehört auch den Rückgabeprozess ausführlich auf der Webseite zu beschreiben.
  • Händler sollten der der Bestellung bereits das Retourenetikett mit beilegen. Das Bekleidungsgeschäft Mango geht sogar soweit, dass es Rücksendetaschen der Versandbox beifügt.
  • Es sollte vermieden werden, dass der Kunde die Kosten für die Rücksendung trägt.
  • Verbraucher sollten genügend Zeit haben Produkte zurückzuschicken, daher sollten Unternehmen flexibel mit den Rücksendefristen sein.
  • Online-Händler können sogar soweit gehen, den einfachen Rückgabeprozess bei dem Bezahlvorgang zu bewerben, um das Sicherheitsgefühl des Kunden zu bestärken.

Der Handel geht online und Retouren gehören dazu

Die Wettbewerbsfähigkeit von vielen Händler wird heutzutage auf eine harte Probe gestellt. Kunden durch umständliche Rückgabeprozesse und Drohungen der Kontensperrung zu verschrecken ist nicht die Lösung. Der Handel richtet derzeit immer noch die meiste Aufmerksamkeit auf das Einkaufserlebnis. Mit den wachsenden Umsätzen im Online-Handel wächst jedoch auch die Bedeutung der “After-Buying Experience”. Diese Erfahrung wird in den meisten Fällen auch der Faktor sein, der entscheidet, ob ein Kunde wieder etwas im Shop bestellt.

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