Retourenvernichtung adé: Wie zwei Startups neue Nachhaltigkeits-Standards im (R)E-Commerce setzen

Die Online-Möbelmarke mokebo arbeitet seit 2020 mit dem Retourenmanagement-Spezialist malindo zusammen, um retournierte Produkte als B-Ware zweit zu vermarkten. Getrieben von dem Anspruch, das Retourenmanagement so ressourcenschonend und effizient wie möglich zu gestalten, liefern mokebo und malindo mit einer neuen 360° Re-Commerce Lösung nun die Blaupause für nachhaltiges Retourenhandling im E-Commerce.

Einer der großen Hebel für Nachhaltigkeit im E-Commerce liegt im Retourenhandling. Rücksendungen von Online-Käufen belasten die Umwelt durch zusätzlich entstehende CO2-Emissionen für Rücktransport und Verpackungsmüll und verursachen in Deutschland jährlich rund 238.000 Tonnen CO2.(Quelle: Björn Asdecker) Belastend kommt hinzu, dass retournierte Produkte statt einer Wiederaufnahme in den Verkaufskreislauf häufig sogar aktiv zerstört werden. Diese Wert- und Ressourcenvernichtung ist beispielsweise wirtschaftlicher für Unternehmen, wenn Logistik- oder Verpackungsmaterialkosten den Warenwert übersteigen oder sich buchhalterische Nachteile durch die Wiederaufnahme der Produkte in das Inventar ergeben. Gleichzeitig wächst die Bedeutung des E-Commerce und damit die Anzahl der Retouren. Eine Entwicklung, die nicht nur der Umwelt, sondern auch Unternehmen schadet, für die durch Retouren erhebliche Mehrkosten entstehen. Wenig verwunderlich also, dass die Diskussionen um das Ende kostenloser Retouren immer lauter werden.

Die digitale Möbelmarke mokebo möchte mit dieser Entwicklung brechen und setzt sich für ein ganzheitliches, nachhaltiges Retourenmanagement ein, um ein Maximum an Emissionen einzusparen und dabei die wirtschaftlich stärkste Lösung zu identifizieren. Für dieses Vorhaben hat das junge Unternehmen alle Phasen der Customer Journey im Blick und setzt schon vor Kauf eines Produktes mit ausführlichen Produktbeschreibungen, Bildern, Kundenrezensionen und kostenlosen Stoffproben eine Vielzahl an wirkungsvollen Mitteln zur Retourenvermeidung ein. Diese und weitere Maßnahmen (mehr dazu in der FAQ Sektion) zeigen große Wirkung: “Unsere Retourenrate liegt in diesem Jahr bei unter 4% und damit deutlich unter dem anzunehmenden Branchendurchschnitt”, berichtet mokebo Mitgründer und Geschäftsführer Philip Kehela. Obwohl dem Möbelhandel - auch wegen der insgesamt noch überschaubaren Bedeutung des Onlinehandels - derzeit valide Zahlen für Großmöbel fehlen, liegt der Retourenanteil bei Kleinmöbeln im Schnitt bei bis zu zehn Prozent (Quelle: ambista).

Doch nicht nur beim Retourenhandling setzt die E-Commerce Brand auf Nachhaltigkeit. Der Weg der Ware vom europäischen Möbelhersteller zum Endkunden erfolgt ohne Zwischenlager und ist durch spezielle Logistikprogramme, die entstehende CO₂-Emissionen durch die Unterstützung zahlreicher Klimaschutzprojekte neutralisieren, 100% klimaneutral. Da sich Retouren trotz aller Bestrebungen aber nicht vollständig vermeiden lassen, setzt mokebo an dieser Stelle mit einem innovativen Re-Commerce Ansatz an. Um das Retourenmanagement so nachhaltig und wirtschaftlich wie möglich zu gestalten, arbeitet das E-Commerce Unternehmen mit dem Logistik-Startup malindo zusammen. malindo ist ein technologiegetriebenes Unternehmen, das Onlineshops und Hersteller dabei unterstützt, die beste Lösung für ihre Retouren zu finden, um ökonomische und ökologische Ziele zu vereinen. 

Mit Beginn der Partnerschaft ließ mokebo retournierte Produkte ohne Berührungspunkte direkt vom Endkunden zum Re-Commerce Spezialist schicken. Nach Eintreffen der Ware übernahm malindo Qualitätsprüfung, Lagerung und Verkauf der Retouren als B-Ware über eBay. Bei diesem Prozess, intern SASH (Sold as Second Hand) genannt, wird großer Wert darauf gelegt, so viele Artikel wie möglich wieder in den Verkauf zu bringen – ganz im Sinne des Kreislaufgedankens und der Ressourcenschonung. Durch den Verkauf der B-Ware über malindo konnte mokebo in der Vergangenheit über die Hälfte des Neupreises der retournierten Waren erzielen. 

Im Laufe der erfolgreichen Zusammenarbeit ergaben interne Analysen, dass 90% der mokebo-Retouren als unversehrte Neuware in den malindo Lagern eingeht (Gründe hierfür im FAQ). Um das Potenzial dieser Produkte vollumfänglich zu nutzen, intensivieren beide Partner die Zusammenarbeit nun weiter, indem malindo ab sofort die Prüfung und Klassifizierung in A- und B-Ware standardisiert. Die neuartige SAN-Lösung (Sold as New) ermöglicht außerdem die Erfassung der A-Ware als Bestand im ERP-System von mokebo, sodass diese über die eigenen Vertriebskanäle direkt als Neuware wiederverkauft werden kann. “Ein Konzept, in dem eine Handelsmarke wie mokebo die Ware vom Produktionsband des Herstellers zum Kunden hin und eine Retoure zum Re-Commerce Seller zurücksendet, der diese in A- und B-Ware unterteilt und jede dieser Warentypen wieder verwertet werden kann, habe ich in der Branche noch nicht erlebt", erklärt Dominik Lenzin, Co-Founder und CEO von malindo und führt aus: “Mit diesem Setup lassen sich bis zu drei Touchpoints an einer Ware vermeiden und es müssen fast keine Retouren vernichtet werden.” Neben dem konsequenten Blick auf die Zirkularität der Handelsprozesse stellt das neue SAN Projekt auch eine Lösung für aktuelle Material- und Lieferengpässe dar, durch die mehr Bestandstiefe und höhere Erlöse durch effiziente Wiederverwertung erzielt wird.

Philip Kehela und Dominik Lenzin haben bereits weitere Pläne, um die Partnerschaft auszubauen und sehen die neu geschaffenen Strukturen als Beginn von etwas Großem. “Wir freuen uns, dass wir mit malindo einen Partner gefunden haben, der sich wie wir einem zirkulären E-Commerce verschrieben hat und offen für innovative Lösungsansätze ist. Das Team von Dominik ist extrem gut in der Logistik, wir in der Vermarktung - diese Synergien möchten wir weiter hebeln”, erklärt Kehela. Für die Zukunft planen sie auch die B-Ware mit kleinen Mängeln in einer dedizierten Rubrik, einer Art Online-Fundgrube, im mokebo Onlineshop zu verkaufen. Dominik Lenzin ergänzt: “Gemeinsam mit einem Partner wie mokebo haben wir die Chance, das Konzept der Kreislaufwirtschaft auszugestalten und erfolgreich in die Zukunft zu führen. Unsere Zusammenarbeit zeigt, dass Profit und Nachhaltigkeit nicht im Widerspruch stehen müssen”. 

Über mokebo:
mokebo ist eine von Moritz Messinger und Philip Kehela im Jahr 2018 gegründete online Möbelmarke aus Köln, die eine funktionale und bewusste Einrichtung für jedes Budget und alle Lebenssituationen ermöglicht. mokebo bietet Möbel und Wohnaccessoires ausgesuchter, europäischer Hersteller an und vertreibt sie über den eigenen Onlineshop sowie über die reichweitenstarken Online-Plattformen von Amazon, Otto und eBay. Das Start-up ist im bootstrapped-Verfahren aufgebaut worden, wirtschaftet rentabel, beschäftigt rund 14 Mitarbeitende am Standort Köln sowie remote und hat bereits Möbel an über 60.000 Kunden versandt.
Mehr unter: mokebo.de/pages/presse

Der gute Vorsatz für den Handel zum neuen Jahr: Reverse Logistics

Das Weihnachtsgeschäft boomt - die Retourenquote danach auch

Traditionell sind November und Dezember die umsatzstärksten Monate für den Handel. Gerade erst veröffentlichte der Handelsverband Deutschland seine Schätzung für 2016. Somit hat sich der Weihnachtsumsatz dieses Jahr auf 91,1 Milliarden Euro erneut gesteigert. Dem boomenden Weihnachts- und Silvestergeschäft folgt jedoch meist das Retourenhoch für Händler. Dabei ist das nur die Spitze des Eisbergs. Retouren bereiten dem Handel das ganze Jahr über Kopfzerbrechen. Erst im Oktober veröffentlichte der Händlerbund die Retouren-Studie 2016. Diese enthüllt teilweise ernüchternden Erkenntnisse darüber, mit welchen retourbezogenen Problemen Unternehmen zu kämpfen haben.

‍Gute Retouren, schlechte Retouren

Das Retouren eine Herausforderung für den Handel sind ist nichts Neues. Es gibt zahlreiche Diskussionen darüber welche Strategien zur “Bekämpfung” am effektivsten sind. Sollten retourfreudige Kunden umerzogen werden oder gar das Konto gesperrt werden? Oder doch möglichst viele Hürden bei der Rücksendung einbauen? Nur per Vorkasse bezahlen lassen? All diese Vorschläge haben eine Gemeinsamkeit - der Kundenservice bleibt dabei auf der Strecke. Im Gegensatz dazu betrachten bereits einige Händler Retouren als Chance. Der Trend geht dazu über, dass man es dem Verbraucher besonders einfach macht Ware zurückzuschicken. Online-Händler möchten Kunden den gleichen Service bieten, den sie auch im stationären Handel erhalten.

Würden Sie sich als Manager einer H&M-Filiale an die Umkleidekabine stellen und den Kunden sagen, sie müssten mindestens 50 Prozent der Teile, die sie anprobieren, wirklich kaufen, ansonsten dürften sie die Sachen gar nicht mit hineinnehmen?

‍Zahlreiche Unternehmen, wie beispielsweise Zalando, gehen sogar soweit aktiv Rücksendungen anregen. Dabei gehen sie auf den Konsumwandel und die wachsende Bedeutung des E-Commerce ein. So erzielte der Online-Handel 2015 einen Umsatz von 46,90 Mrd. Euro, ein sattes Plus von 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verglichen mit der Wachstumsrate des Einzelhandels von nur 3,1 Prozent lässt sich die zukünftige Konsumentwicklung gut einschätzen.

Dieser Wandel unterstreicht auch, dass das Retourenaufkommen in den nächsten Jahren stetig wachsen wird. Wichtig dabei ist, keine Abstriche beim Kundenservice zu machen sondern die Annehmlichkeiten des stationären Einkaufs auch Online zu übernehmen. Diese Entwicklung macht es auch unerlässlich eine effiziente Retourenlogistik zu haben. Dabei gewinnt die Thematik der Reverse Logistics an Bedeutung.

‍Reverse Logistics - Lange Zeit ignoriert

Reverse Logistics, im Deutschen auch Rückführungs- oder Rückwärtslogistik,umfasst alle Material- und Informationsflüsse, die entgegengesetzt der traditionellen Richtung der Distributionslogistik fließen. Somit vom Kunden zurück zum Händler oder Hersteller. Meist handelt es sich hierbei um:

Mit eingeschlossen sind dabei auch Materialflüsse wie z.B. Überbestände. Diese Produkte haben ihren Ausgangspunkt weiter vorne in der Wertschöpfungskette und durchlaufen nicht den traditionellen Weg entlang der Belieferungskette.

‍Was bisher geschah und noch geschieht

Lange Zeit wurde die Thematik der Reverse Logistics ignoriert. Das Retourenmanagement wurde lediglich als Kostenfaktor gesehen. Alle verfügbaren Ressourcen wurden für das Kerngeschäft eingesetzt um das Wachstum weiter voranzutreiben. Hinzu kommt, dass eine effiziente Retourenlogistik selten in den KPIs vertreten ist und daher auch kein ROI vorzuweisen ist. Somit erklärt sich auch das eher nachlässige Retourenmanagement seitens der Händler.

Bis dato nutzen viele Händler veraltete Prozesse. Der einzige Vorteil, der sich aus diesem herkömmlichen “Retourenmanagement” ergibt ist, dass die Verantwortung für die Ware abgeschoben werden kann. Oftmals akzeptieren Unternehmen dafür nur einen Bruchteil des ursprünglichen Warenwertes zu erzielen. Das traditionelle Retourenmanagement ist in der untenstehenden Grafik am Beispiel eines hypothetischen Händlers A verdeutlicht.

‍Traditionelles Retourenmanagement

Nach Retoureneingang wird die Ware noch im Lager geprüft. Ungenutzte Retoure geht als A-Ware zurück in den regulären Verkauf. Durchschnittlich gehen 15 % der Ware zurück an den Hersteller, falls solche Absprachen getroffen wurden. Einige Händler haben auch bereits ihren eigenen Outlet zur Zweitvermarktung von Retouren. Jedoch sind solche Verkaufskanäle mit einer großen operativen Herausforderung verbunden. Das liegt daran, dass die rückwärtsgerichtete Lieferkette dynamisch und unkalkulierbar ist. Am Ende bleiben meist beschädigte und/oder gebrauchte Retouren übrig, die nicht mehr über die eigenen Kanäle verkauft werden können. Im Halbjahres-Rhythmus wird diese Ware an den höchst bietenden Liquidator verkauft. Dadurch entstehen hohe Lagerkosten und die Ware verliert an Wert. Danach beginnt der Weiterverkauf über diverse Mittelsmänner und über weite Transportwege. Aufgrund von zahlreichen Berührungspunkten werden zusätzlich Teile der Ware beschädigt und enden als Müll. Letztendlich wird nur noch ein geringer Teil der Retourware an den Endverbraucher verkauft. Zudem haben Händler und Hersteller auch keine Informationen darüber wo die Ware letztendlich zu welchem Preis verkauft wird.

‍Der neue Weg
Retourenmanagement im Sinne der Reverse Logistics

Die Ware kommt in unterschiedlichen Zuständen im Lager an und muss im ersten Schritt geprüft und kategorisiert werden. Eine Retourenmanagement Software kann beispielsweise als “Decision Maker” eingesetzt werden. Ausgehend von Zustand, Wert und Kosten der Retoure wird mit Hilfe von historischen und Echtzeitdaten von Zweitmärkten der optimale Verkaufskanal bestimmt. Durch technologisch optimierte Reverse Logistics kann in etwa die Hälfte der Ware direkt an den Endverbraucher verkauft werden. Dazu gehört auch die Ware aufzubereiten oder zu reparieren. Defekte Ware sollte im Sinne der Kreislaufwirtschaft recycelt oder umweltfreundlich entsorgt werden. Das führt dazu, dass für die jeweilige Retoure der beste Weg gefunden werden kann und somit das volle Potential ausgeschöpft wird. Zudem profitieren Händler von zahlreichen Vorteilen, die sich schlussendlich positiv auf die Profitabilität auswirken.

‍Die Chancen von Reverse Logistics

Lange ignoriert bietet eine Retourenlogistik im Sinne der Reverse Logistics diverse Vorteile durch welche sich Händler zukünftig von der Konkurrenz absetzen können:

Retouren stellen den Handel vor eine große Herausforderung. Mit dem Wandel des Konsumverhaltens und der wachsenden Bedeutung des E-Commerce wird dies auch in Zukunft so bleiben. Wie eine Statistik aus dem Jahr 2013 aufzeigt, lag damals bereits die Möglichkeit der “Einfachen Retoure” auf Platz 3 der wichtigsten Faktoren für eine Kaufentscheidung. Daher liegt es an Unternehmen die Situation zu akzeptieren und sich für innovative Lösungsansätze zu entscheiden. Dabei lohnt es sich strategische Partnerschaften zu nutzen um das volle Potential der Reverse Logistics auszuschöpfen. Der Trend geht dazu über Endverbraucher einen noch besseren Service zu bieten. Top Player der Industrie geben diesbezüglich auch schon die Richtung vor und werben regelrecht mit ihrer attraktiven Retourenpolitik. Daher wird die Wettbewerbsfähigkeit besonders von Online-Händlern in Zukunft stark daran gebunden sein, wie effizient sie ihre Retouren verwerten.

Die Kreislaufwirtschaft: wenn der Handel auf Nachhaltigkeit trifft

Vergangene Woche wurden während des jährlichen Meeting des World Economic Forum in Davos “The Circulars” ausgezeichnet. “The Circulars” ist eine Initiative des World Economic Forum und des Forum of Young Global Leaders welche Individuen und Organisationen auszeichnen, die einen bedeutenden Beitrag dazu leisten die Kreislaufwirtschaft weiter voranzutreiben. Auszeichnungen erhielten unter anderem Nike, Patagonia, MBA Polymers, die schottische Regierung, SJF Ventures und Robicon Global. Alle Gewinner verbindet das vorgestellte Ziel traditionelle lineare Geschäftsmodelle abzuschaffen und die Kreislaufwirtschaft zu realisieren.

Die Wegwerfgesellschaft

Das derzeitige lineare System, dass noch aus Zeiten der Industriellen Revolution stammt, besteht hauptsächlich aus 3 Stadien:

Die meisten Produkte landen derzeit immer noch auf Müllhalden, weil es keine nachhaltige Endlösung gibt. Die World Bank beispielsweise prognostiziert, dass bis zum Jahr 2025 die globale Bevölkerung 2,2 Milliarden Tonnen an Müll produzieren wird. Problematisch wird diese Situation, wenn drastisch steigender Konsum auf finite Ressourcen trifft. So hatten wir zum Beispiel am 08.08.2016 alle nachhaltigen Ressourcen der Erde für das Jahr 2016 verbraucht. Danach wurden Ressourcen quasi auf Pump abgebaut.

Für Unternehmen bedeutet die derzeitige lineare Form der Produktion, dass sie zukünftig mit Störungen der Versorgungskette, steigenden Preisschwankungen und Supply-Chain Risiken konfrontiert sein werden. Angesichts von schwindenden Ressourcen realisieren jedoch bereits einige Firmen, dass beispielsweise Ziele wie Effizienzsteigerung auf lange Sicht nicht haltbar sind. Was jedoch notwendig ist, ist ein Umdenken wie man mit der Verschwendung von Materialien und Energie umgeht, stattfindet. Dabei spielen zirkuläre Geschäftsmodelle, sogenannte Circular Business Models, eine wichtige Rolle. Diese zielen darauf ab das Konzept Müll an sich abzuschaffen und dafür wertvolle Ressourcen in Zirkulation zu behalten, um diese zu schonen und wieder zu verwenden.

Die Kreislaufwirtschaft — wenn “Müll” zu Input wird

Die Idee der Kreislaufwirtschaft ist keine neue, jedoch hat sie erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Das ist vor allem der Arbeit von Dame Ellen MacArthur und der von ihr gegründeten Ellen MacArthur Foundation zu verdanken.

“Close to loop” — ist eine Kernaussage im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft. Im Gegensatz zu dem linearen Modell schließen zirkuläre Unternehmen den Produktkreislauf. Das ist möglich, indem Produkte entweder biologisch abbaubar sind oder End-of-Life Produkte zurück an das Unternehmen gehen. So können Firmen wertvolle Ressourcen extrahieren und diese wieder verwenden.

Notwendig ist auch den Gesamtkonsum zu reduzieren und langlebige und qualitativ hochwertige Produkte zu produzieren. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft gehört dazu auch, Ware zu reparieren oder Second Hand zu kaufen und dies auch von seitens der Unternehmen zu unterstützen. Ein gutes Beispiel dafür ist die “Buy Less” Kampagne von Patagonia. Geplante Obsoleszenz, die absichtliche Verringerung der Lebensdauer von Produkten, ist ein Konzept, dass für Hersteller in Zukunft nicht mehr tragbar sein wird.

Geschäftsmodelle, die den Kreislauf schließen

Die Idee der Kreislaufwirtschaft hat bereits einige innovative Geschäftsmodelle hervorgebracht. Produkte zu mieten anstatt zu kaufen ist längst salonfähig geworden sowie der Aufruf von Unternehmen weniger zu kaufen und Produkte zu reparieren. In ihrem Buch “Waste to Wealth” schlagen Accenture Strategen Peter Lacy und Jakob Rutqvist 5 Geschäftsmodelle vor, welche die Kreislaufwirtschaft weiter vorantreiben:

  1. Circular Supply-Chain: es werden nur erneuerbare, recycelbare und biologisch abbaubare Materialien verwendet. Royal DSM beispielsweise entwickelt zellulosisches Bioethanol. Diese Chemikalie wird aus Ernterückständen gewonnen. Solch biobasierte Chemikalien ermöglichen Abfall und CO2 Emissionen zu reduzieren.
  2. Recovery and Recycling: All jene Produkte, die von anderen als Müll angesehen werden, werden genutzt und für andere Zwecke wiederverwendet. Harvest Power, ein amerikanisches Unternehmen, verwendet zum Beispiel Bioabfall für seine anaerobe Vergärungsanlage. Diese Anlage wandelt Biomüll in Biogas zur Energiegewinnung um.
  3. Product Life-Extension: Produkte, die noch immer Wert besitzen werden einem neuen Produktkreislauf zugeführt. Online Plattformen wie Mädchenflohmarkt oder The Next Closet ermöglichen, dass ungenutzte Kleidung wieder einen passenden Besitzer findet.
  4. Sharing Platform: Ungenutzte oder nur teilweise genutzte Ressourcen werden anderen Nutzern angeboten, um ihr Potential voll auszuschöpfen und unnötigen Konsum vorzubeugen. Bekannte Sharing Plattformen sind beispielsweise Airbnb oder BlaBla Car.
  5. Product as a Service: Händler und Hersteller behalten das Eigentumsrecht an der Ware. So wird die Langlebigkeit und Qualität der Ware gesichert und nach Ende der Nutzung geht die Ware zurück an das Unternehmen. So bietet beispielsweise seit 2012 das niederländische Modelabel MUD Jeans an Jeans zu mieten anstatt sie zu kaufen. Außerdem sind die Jeans so designed, dass sie recycelt werden können und aus dem Material ein neues Paar Jeans entstehen kann.

Die Liste von innovativen Geschäftsideen im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist lang und verdeutlicht, dass zukünftige Potential von zirkulären Geschäftsmodellen. In diesem Zusammenhang sollten auch traditionelle Firmen erkennen, dass diese Unternehmen gegenwärtig und auch zukünftig von zahlreichen Vorteilen profitieren:

Produkte, die nicht dem biologischen Kreislauf zugeführt werden können, sollten im Sinne der Kreislaufwirtschaft zurück an den Händler oder Hersteller gehen. Die Absatzlogistik hat über die Jahre viel Aufmerksamkeit bekommen hat und wurde kontinuierlich verbessert. Der Materialfluss jedoch vom Kunden zurück zum Unternehmen ist einerseits nicht gewünscht und wird andererseits lediglich als Kostenfaktor gesehen. Daher gab es bisher keinen Anreiz Prozesse zu implementieren um die Rückführung von Produkten effektiv zu gestalten.

Was das alles mit Reverse Logistics zu tun hat

Im Durchschnitt fallen pro zurückgesendetem Artikel 10 Euro an Kosten an. Lohnen sich Kosten und Aufwand oder ist es nicht effizienter die Retouren einfach wegzuschmeißen? Leider ist das die Realität. Für gewisse Produktkategorien sehen Händler keinen Sinn darin, die Retoure effektiv zu verwerten und entsorgen diese einfach. Bei der steigenden Zahl an Retouren ist das eine enorme Verschwendung von Ressourcen. Auch wenn Händler die Retourware an Restpostenhändler abgeben, wird die Ware über zahlreiche Mittelsmänner weiter verkauft, oft über mehrere Länder. Dadurch entstehen unnötige CO2 Emissionen und durch Transportschäden werden immer wieder Teile Ware weggeworfen.

Die Logistik im Allgemeinen ermöglicht, dass Unternehmen zirkuläre Prozesse implementieren können. So wichtig wie die vorwärtsgerichtete Lieferkette ist, so essentiell ist die rückwärtsgerichtete. Reverse Logistics verhilft Händler und Hersteller dazu das volle Potential jeder Retourware auszuschöpfen. Dazu gehört es die Produkte zu reparieren, recyceln oder auf dem Zweitmarkt zu verkaufen.

Das große Ganze

Ganzheitlich betrachtet ist die rückwärtsgerichtete Lieferkette ausschlaggebend um die Kreislaufwirtschaft zu realisieren. Dabei geht es nicht nur darum, wie man effektiv mit Retouren umgeht, sondern auch um die Rücknahme der End-of-Life Produkte von Endverbrauchern. Der Mangel an Reverse Logistics Prozessen ist dem traditionellen linearen System zuzuschreiben. Produkte sollten nicht mehr zurück kommen, daher gab es auch keinen Bedarf sich um Systeme oder Prozesse Gedanken zu machen. In Zukunft wird jedoch der Materialfluss vom Kunden zurück zum Unternehmen immer wichtiger werden.

Was jedoch alle erfolgreichen zirkulären Unternehmen gemeinsam haben ist, dass sie enge Partnerschaften mit anderen Unternehmen formen. Es ist selten möglich alleine im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu agieren. Man sollte das Wissen und Know-how anderer Firmen nutzen und sich gegenseitig ergänzen. Die Ellen MacArthur Foundation dazu:

Effective cross-chain and cross-sector collaboration are imperative for the large scale establishment of a circular system.

Reverse Logistics: Ein Leitfaden für vorwärts denkende Unternehmen

Same-Day Delivery, Drop off Points oder Click and Collect haben alle die Gemeinsamkeit, dass sie das Ergebnis einer erstaunlichen Transformation sind. Seit Jahrzehnten arbeiten Experten daran Produkte so effektiv wie möglich zum Endverbraucher zu transportieren. Heutzutage gibt es kaum ein Unternehmen, welches kein ausgeklügeltes Supply-Chain-Management System besitzt. Aber was passiert, wenn das Produkt zum Unternehmen zurückkommt?

Verglichen mit den Innovationen rund um die vorwärtsgerichtete Lieferkette, ist die rückwärtsgerichtete immer noch von rudimentären Systemen und Prozessen geprägt. Jedoch verdeutlichen gesetzliche Rahmenbedingungen wie die WEEE-Richtlinie sowie die steigende Menge an Retouren die Wichtigkeit von Reverse Logistics. Abgesehen davon gesetzlichen Auflagen zu genügen, hat Reverse Logistics auch einen großen Einfluss auf den Unternehmensumsatz und Kundenloyalität. Mehr zu den Vorteilen von Reverse Logistics finden Sie in diesem Beitrag. Dank großen und innovativen Online-Händlern, leben wir in Zeiten in denen man von egal wo Produkte kaufen und zurückschicken kann. Somit endet der traditionelle Warenstrom nicht, wenn das Produkt den Endverbraucher erreicht hat. Heutzutage ist es wichtiger denn je, dass Unternehmen diesen “U-Turn” akzeptieren und ihn als essentiellen Teil der Umsatzgenerierung anerkennen.

Keep it simple

Reverse Logistics ist unbeständig und sehr viel schwieriger zu managen als die Absatzlogistik. Retouren kommen in unterschiedlichen Zuständen und in nicht vorhersehbaren Mengen zurück. Oftmals findet man Produkte in einer Verpackung, die nichts mit der Originalverpackung gemeinsam hat. So kommt beispielsweise die Kaffeemaschine in der Verpackung eines Mixers zurück. Daher ist das Ziel von Reverse Logistics Beständigkeit in das Chaos zu bringen. Wichtig dabei ist das Ganze so einfach wie möglich zu gestalten. Damit ist gemeint die Berührungspunkte mit dem Produkt zu reduzieren und die Prozesse so kurz und sauber wie möglich zu implementieren. Je länger sich das Produkt im Umlauf befindet, desto mehr wird es an Wert verlieren. Vor allem elektronische Geräte verlieren pro vergangenem Monat erheblich an Marktwert. Produkte in der Reverse Logistics befinden sich schon für längere Zeit im System und mit zunehmender Dauer werden bereits beschädigte Produkte durch beispielsweise Transportschäden weiter in Mitleidenschaft gezogen.

Das Handling von einzelnen Produkten vor allem in unterschiedlichen Zuständen ist komplexer und kostspieliger verglichen zu dem hohen Volumen und Qualität der Absatzlogistik. Gerade weil Reverse Logistics mit mehr Komplexität und zahlreichen Entscheidungsfindungen verbunden ist, empfiehlt sich das aktive Mitwirken der höheren Managementebene.

Reverse Logistics Prozessablauf

Um den vollen Wert der Retouren auszuschöpfen, ist es notwendig ein geeignetes logistisches Netzwerk einzurichten, welches den Rückfluss von Produkten effektiv unterstützt. Dabei durchlaufen die wiederkehrenden Produkte drei Phasen:

1. Sammlung

Im ersten Schritt sollte eine Sammelstelle für alle eingehenden Produkte eingerichtet werden. Es bietet sich aus ökologischen und ökonomischen Gründen an, diese Sammelstelle in Nähe der bisherigen Logistikstandorte zu eröffnen. Die Notwendigkeit des Prüfens und der Klassifizierung führt zu einem Trade-off zwischen einer dezentralen und zentralen Sammelstelle. Die Produkte können erst einer endgültigen Destination zugewiesen werden, nachdem diese getestet wurden. Daher können Unternehmen mit Sammelstellen “nahe der Quelle” unnötige Transporte vermeiden. Jedoch sind solche Sammelstellen mit hohen Investitionen verbunden, wodurch eine zentrale Sammelstelle profitabler erscheinen mag. Wenn möglich können außerdem Materialflüsse der Distribution und Sammlung zusammengefasst werden und leere LKW-Transporte zurück zum Lager vermieden werden.

Für die erste Phase ist es sinnvoll den Rückgabeprozess so einfach wie möglich zu gestalten. Studien belegen, dass die Möglichkeit einer einfachen Retoure entscheidend ist, ob sich Verbraucher für einen bestimmten Händler entscheiden. Daher ist es ratsam eine genaue Anleitung für die Produktrückgabe sowie ein Retourenetikett und Versandtasche der Bestellung beizufügen. Auch wenn somit das Unternehmen die Kosten für die Rücksendung trägt, so hat diese Handhabung auch Vorteile. Durch guten Kundenservice wird zum einem die Kundenloyalität weiter gesteigert. Zum anderen haben beigefügte Retourenetikette den Vorteil, dass das Produkt an den richtigen Standort geschickt wird. Des Weiteren erhöhen einheitliche Retourenetikette ein effizientes Handling im Lager.

2. Prüfung und Klassifizierung

Der wohl kritischste Schritt im Reverse Logistics Prozess ist die Ware zu überprüfen und den Absender zu identifizieren. Dazu gehört das Produkt und den jeweiligen Zustand zu bestimmen. Anschließend sollte kontrolliert werden, ob das Produkt und die Originalbestellung übereinstimmen. Fehler oder Verzögerungen während dieser Phase verursachen nicht nur einen operativen Aufwand, sondern vermindern den Kundenservice und somit die Kundenzufriedenheit.

Nach Identifizierung des Produktes und dessen Zustand kann anhand dessen die Endlösung für den jeweiligen Artikel festgelegt werden. Danach werden die Produkte entsprechend sortiert und für die weitere Verarbeitung vorbereitet. Erst nach dieser Phase können die Artikel der entsprechenden Wiederverwendung und dem geographischen Standort zugeordnet werden.

3. Aufbereitung und Umverteilung

Eingehende Produkte können in zwei unterschiedliche Gruppen kategorisiert werden, die direkte und prozessgesteuerte Rückgewinnung. Produkte im neuen Zustand oder mit einer neuen Verpackung können direkt dem traditionellen Abverkauf zugeführt werden. Alle anderen Artikeln sowie Überbestände gehören der Gruppe der prozessgesteuerten Rückgewinnung an, für welche aufwendigere Prozesse notwendig sind. Diese Gruppe kann man in weitere Kategorien unterscheiden:

Je nach Art, Zustand und Wert des Produktes wird der ökologisch und ökonomisch sinnvollste Prozess gewählt. Wichtige Bestandteile von Reverse Logistics ist demnach auch die Kostenminimierung und Profitmaximierung und sollte für die Verarbeitung der jeweiligen Produkte auch beachtet werden. Wiederaufbereitete oder reparierte Produkte werden anschließend der Distributionslogistik wieder zugeführt. Es empfiehlt sich Produkte auf dem Zweitmarkt zum Verkauf anzubieten, anstatt über die eigene Plattform oder Kanäle. Dadurch entsteht keine Konkurrenz für die eigene Neuware.

Aller Anfang ist schwer

Dass die Implementierung von Reverse Logistics mit erheblichen Aufwand verbunden ist, lässt sich nicht beschönigen. Aufgrund des variablen Volumens und den unterschiedlichen Qualitätsstufen sollte Reverse Logisticsfest in der ganzheitlichen Logistik integriert sein. Jedoch müssen Unternehmen nicht alleine für den gesamten Prozess verantwortlich sein. Abhilfe schaffen strategische Partner, die bereits spezielles Know-how bezüglich einer effizienten Retourenlogistik besitzen und von deren Expertise man profitieren kann. Außerdem ist es empfehlenswert eng mit Lieferanten und Kunden zusammenzuarbeiten und regelmäßig Informationen auszutauschen, um den gesamten Warenfluss effektiv zu gestalten.

Der erste Schritt zu einer erfolgreichen Reverse Logistics ist jedoch die Definition eines vorangestellten Ziels. Unternehmen können unterschiedliche Beweggründe haben. Einige wollen wirtschaftlich das volle Potential ausschöpfen, anderen wiederum ist Nachhaltigkeit und Produktverantwortung wichtig. Ein definiertes Ziel vereint die Beweggründe und das zu erreichende Ergebnis für das Unternehmen, sodass alle Prozesse und System auf dieses Ziel ausgerichtet werden können.

Wie messe ich den Erfolg von Reverse Logistics?

Im vorherigen Beitrag wurde bereits diskutiert wie Unternehmen erfolgreich Reverse Logistics implementieren. Dabei ist die Versuchung groß den gesamten Prozess und die Komplexität von Reverse Logistics zu unterschätzen. Man sollte jedoch nicht den Fehler begehen und annehmen, dass eine Implementierung von Reverse Logistics sich so ähnlich gestalten lässt wie die der Absatzlogistik (die Unterschiede zwischen der vorwärts- und rückwärtsgerichteten Lieferkette werden in diesem Beitrag beschrieben). Ein ausgeklügeltes Reverse Logistics System entsteht nicht über Nacht und muss kontinuierlich überprüft und verbessert werden.

Mit Metriken zum Erfolg

Um den Erfolg seiner Reverse Logistics Prozesse zu messen ist es ratsam unternehmensrelevante Leistungsmetriken zu definieren und diese regelmäßig zu kontrollieren. Einen sehr guten Beitrag dazu hat das Logistics Management Magazin veröffentlicht. Dieser Artikel befasst sich mit den wichtigsten Metriken, welche den Erfolg von Reverse Logistics messen. Insgesamt werden dabei 9 Metriken vorgestellt:

Der Kunde ist König

Unternehmen können die oben genannten Metriken in Betracht ziehen, wenn es darum geht den Erfolg ihrer Reverse Logistics zu messen. Jedoch fehlt bei dieser Selektion der Kundenfokus. Dieser ist gleichermaßen wichtig und sollten nicht übersehen werden. Dabei ist es essentiell zu überprüfen:

Ausgewählte Leistungskennzahlen sollten an die Unternehmensstrategie gekoppelt sein. Außerdem sollten sie dynamisch und flexibel sein und sich an externe und interne Veränderungen anpassen können. Der Vorteil von überwachten Leistungsmetriken ist, dass diese überwachten Metriken eine höhere Sichtbarkeit im Unternehmen aufweisen. Zudem identifizieren sie die Bereiche, welche Verbesserungen benötigen.

Ganzheitlicher Ansatz

Reverse Logistics ganzheitlich betrachtet umfasst zahlreiche Aspekte, gekoppelt an ökonomische, ökologische und soziale Faktoren. An diesen Aspekten sollten sich die Metriken auch orientieren. Es ist ratsam eine Balance zwischen den einzelnen Faktoren zu finden und zu gewährleisten, dass diese sich in den ausgewählten Metriken wiederfinden.

Reverse Logistics is like cleaning up the morning after a big party — a mess that no one really wants to face, resulting from things that are left over or ill-used from the day before (Brooks Bentz).

Warum sich Händler nicht gegen Retouren wehren sollten

Eine kontroverse These entgegen der landläufigen Meinung

Die Deutschen kaufen online. Und das immer häufiger und mehr. Derzeit werden sie nur von den Briten und den US-Amerikanern überboten. Der E-Commerce boomt und der Internet-Handel wird über die nächsten Jahre stetig wachsen. Das führt auch dazu, dass ausländische Online-Anbieter und Dienstleister ihren Fokus auf den deutschen Markt legen. Der zunehmende Wettbewerb zwingt Händler dazu Kosten zu minimieren und Gewinne zu maximieren. Ein Begriff, welcher in diesem Zusammenhang stets fällt, ist das Wort “Retoure”.

Retouren — Die Achillesferse des Online-Handels

Retouren stehen für die Schwachstelle des Onlinekaufs. Verbraucher können sich die Produkte nicht ansehen, anfühlen oder anprobieren. Noch nicht. Vor einem Jahrzehnt standen die meisten noch in der Schlange vor der Umkleidekabine, um die Kleidung erstmal anzuprobieren bevor diese gekauft wurde. Heute wird die Jeans einfach in 3 verschiedenen Größen oder das T-Shirt in allen Farbvariationen bestellt. Was nicht passt oder gefällt wird zurückgeschickt und das vorzugsweise auf Kosten des Händlers. Und die Deutschen sind Weltmeister im Retournieren — 280 Millionen Paketewerden jedes Jahr zurückgeschickt.

Die durchschnittliche Retourenquote liegt bei ungefähr 15 %, jedoch variiert dieser Prozentsatz von Segment zu Segment und fällt für manche Händler um ein vielfaches höher aus. Des Weiteren müssen in der Regel 10 Euro Kosten pro Retoure veranschlagt werden und das kann schnell einen großen Kostenblock darstellen. Vor allem wenn es keine Lösung gibt, den Restwert der Ware auszuschöpfen.

Schlagwort “Präventives Retourenmanagement”

Natürlich wurde und wird das Problem “Retoure” nicht als gegeben akzeptiert. Es gibt zahlreiche innovative Lösungsansätze die Retourenquote zu minimieren. Dass diese auch hilfreich und effektiv sind, ist nicht zu bestreiten. Grundsätzlich sollte jeder Online-Händler auf folgende Grundvorraussetzungen achten:

Dies sind nur einige von zahlreichen Möglichkeiten Retouren zu reduzieren. Jedoch geht es bei diesem Beitrag darum für Retouren zu argumentieren und aufzuzeigen, warum es Zeit ist diese nicht nur zu akzeptieren, sondern auch zu befürworten.

Retouren sind nicht so schlecht wie ihr Ruf

Man stelle sich einen Online-Händler mit gar keinen Retouren vor. Für die meisten Shops ist dieses Szenario ein erstrebenswertes Ziel. Spinnen wir jedoch den Gedanken weiter. Das gleiche Szenario könnten wir jetzt auf einen stationären Händler übertragen, beispielsweise im Modebereich. Dieser bemerkt, dass kaum Kunden Ware in der Umkleide anprobieren. Dieses Szenario würde man generell nicht als etwas Positives ansehen.

Händler im Internet-Handel müssen sich darüber im Klaren sein, dass bei einem Online-Kauf die endgültige Entscheidung über den Kauf Zuhause beim Kunden fällt. Die Kaufentscheidung wurde quasi vom Spiegel in der Umkleidekabine zu dem Spiegel daheim verlagert. Manchmal hilft hier auch die ausgefeilteste Technik nicht und die Jeans sitzt nicht richtig, die Kommode ist doch ein Hauch zu breit oder der Laptop ist einfach zu umständlich zu bedienen. All das bemerkt der Kunde aber erst, wenn er das Produkt schlussendlich in der Hand hat. Verbraucher möchten trotz allem nicht auf die Vorteile des stationären Handels verzichten. Händler, welche die Vorteile des Online- und Offline-Shoppings vereinen können, werden die Konkurrenz bald hinter sich lassen.

Retouren — ohne geht´s nicht

Was bedeutet es also, wenn ein Händler eine sehr geringe Retourenquote hat? Es kann bedeuten, dass Verbraucher den Rückgabeprozess schon im Vornherein für zu umständlich befinden. Laut dem Forschungsinstitut ibi research haben beispielsweise bereits 39 % der Befragten einen Kauf aufgrund von gebührenpflichtiger Retouren abgebrochen. Ein umständlicher Rückgabeprozess zusammen mit Rücksendungskosten schrecken Verbraucher ab. Aufgrund des starken Wettbewerbs ist es für den Kunden einfacher denn je sich den Onlineshop zu suchen, der eine simple und kostenlose Rücksendung anbietet. Vor allem bei Anbieter von standardisierten Produkten ist dies heutzutage ein leichtes.

Händler mit einer, im Vergleich zu anderen Unternehmen im selben Segment, sehr geringen Retourenquote sollten sich daher Gedanken darüber machen, ob ihr Rückgabeprozess abschreckend auf Verbraucher wirkt. Studien zeigen, dass eine einfache, schnelle und kostenlose Rückgabe sich nicht nur positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirkt, sondern auch die Loyalität stärkt. Verbraucher haben das Vertrauen Ware kaufen zu können und diese ohne Umstände und Kosten zurückzugeben. Um heutzutage konkurrenzfähig zu bleiben, sollten Händler auf folgende Faktoren achten:

Der Handel geht online und Retouren gehören dazu

Die Wettbewerbsfähigkeit von vielen Händler wird heutzutage auf eine harte Probe gestellt. Kunden durch umständliche Rückgabeprozesse und Drohungen der Kontensperrung zu verschrecken ist nicht die Lösung. Der Handel richtet derzeit immer noch die meiste Aufmerksamkeit auf das Einkaufserlebnis. Mit den wachsenden Umsätzen im Online-Handel wächst jedoch auch die Bedeutung der “After-Buying Experience”. Diese Erfahrung wird in den meisten Fällen auch der Faktor sein, der entscheidet, ob ein Kunde wieder etwas im Shop bestellt.

Reverse Logistics als notwendige Alternative zum bisherigen Umgang mit Retouren

Das Retournieren von Artikeln war für die Kunden noch nie so einfach wie heute. Fast drei Viertel der Online-Händler (EHI 2017) übernehmen grundsätzlich die Retourenversandkosten. Für die Händler ist dies einerseits vor allem eine Möglichkeit als Marke zu punkten. Auf der anderen Seite jedoch, haben Unternehmen ein großes Interesse daran, Retouren zu vermeiden. Dies gründet nicht nur in der höheren Kundenzufriedenheit, sondern vor allem im Bearbeitungsaufwand und den Kosten, die im Handel durch Retouren entstehen.

Dabei spielt nicht nur die Übernahme der Versandkosten eine Rolle. Besonders kostenintensiv ist der Prozess der Sichtung, Prüfung und Qualitätskontrolle der Artikel. Nur etwa 3 Prozent der befragten Online-Händler legen Wert darauf die Ware zunächst auf ihren Zustand zu überprüfen und die Versandkosten nur dann zu erstatten, wenn diese in Ordnung und eindeutig ungenutzt ist. Fast ein Drittel der Unternehmen bietet den Kunden sogar in bestimmten Fällen an, die Artikel trotz Retourenanmeldung und Gutschrift nicht zurück zu senden. Eine Rücksendung verursacht wiederum Kosten und bei Artikeln, die nicht wiederaufbereitet oder –vermarktet werden können, ist dies wirtschaftlich nicht sinnvoll.

Nur etwa 70 bis 80 Prozent der Ware, die zurückgeschickt wurde, lässt sich wieder als Neuware verkaufen. Im Klartext bedeutet dies, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Versandrückläufer nicht mehr in einwandfreiem Zustand sind. Doch was passiert mit dieser Ware?

Amazon im Fokus der Öffentlichkeit

Der Logistik-Riese Amazon stand für seinen Umgang mit Retouren zuletzt stark in der Kritik. Er soll massenweise Retouren und Neuware vernichtet haben. Es gab zudem mehrere Hinweise darauf, dass nicht nur unbrauchbare, sondern auch durchaus noch intakte Ware in den Logistiklagern vernichtet wird. Amazon bietet sogar auch für externe Versandhändler einen Entsorgungsservice für unverkaufte Lagerbestände an. Hunderte Artikel, auch von externen Versandhändlern, die den Versand durch Amazon nutzen, werden täglich intern mit dem Label „Destroy“ gekennzeichnet und entsorgt. Doch Amazon steht damit nicht alleine, mehr als die Hälfte der in der EHI-Studie befragten Unternehmen, gaben an, dass sie Ware, die sie nicht wiederverkaufen können, vernichten, entsorgen oder recyceln. Besonders häufig wird diese Methode in den Branchen Mode, Einrichtung, Parfümerie, Gesundheit und Konsumelektronik angewandt.

Die Gründe dafür, dass Retouren nicht wieder als Neuware verkauft werden, sind unterschiedlich. Das Hauptproblem liegt allerdings in der Kosten-Nutzen-Abwägung. In der EHI Studie zum Thema „Versand und Retourenmanagement im E-Commerce 2018“ geben fast zwei Drittel der befragten Onlinehändler an, dass der Zustand der retournierten Artikel oft zu schlecht für einen Wiederverkauf wäre. Die Aufbereitung dieser Artikel sei häufig nicht möglich oder zu aufwändig. Hinzu kommt für mehr als ein Drittel der Befragten, dass die Bearbeitung und Aufbereitung der Retouren zu kostspielig wäre und sich wirtschaftlich nicht lohnen würde. Es ist billiger, die Ware zu vernichten. Kann sie nicht wieder als Neuware verwertet werden, nimmt sie nur unnötig Lagerplatz ein. Vor allem bei Hygieneartikeln und im Lebensmittelbereich spielen außerdem rechtliche Regelungen eine entscheidende Rolle. Bei Hygiene-Artikeln gilt, wurden sie benutzt und ihre Versiegelung entfernt, dürfen sie nicht wiederverkauft werden.  Da Lebensmittel ein idealer Nährboden für Mikroorganismen sind und mit Rückständen und Schadstoffen belastet sein können, die für den Menschen schädlich sein könnten, unterliegen sie besonders strengen Auflagen, die sowohl die Produktion, die Verarbeitung und den Vertrieb betreffen. Sie dürfen somit nicht ohne weiteres wieder in den Verkauf gelangen.

Alternative Lösungsansätze

Die Kritik am Umgang der Online-Händler mit Retouren und die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie auf sich gezogen hat, zeigen die Notwendigkeit neuer Lösungsansätze in diesem Bereich. Reverse Logistics setzt genau hier an. Diese Strategie stellt eine Alternative zur Zerstörung von Produkten und Rohstoffen dar.

Die Händler können durch das „Auslagern“ der Retourenbearbeitung viel Zeit und Kosten einsparen. Die Wiederaufbereitung und Kontrolle der Artikel wird von darauf spezialisiertem Personal übernommen, welches durch festgelegte Prozesse und eine hohe Expertise effizient und gewissenhaft vorangeht. Über diesen Prozess ist es außerdem möglich nicht nur Kosten zu vermeiden, sondern mit der Ware sogar noch Gewinn zu erzielen.

Oft sind die retournierten Artikel noch in einem guten bis sehr guten Zustand und lassen sich einfach weiterverwenden. Gebrauchte Artikel lassen sich mit wenigen Handgriffen aufbereiten; und selbst beschädigte oder defekte Artikel können beispielsweise als Ersatzteillager dienen.

Für die Verbraucher ergeben sich neue Möglichkeiten, um sich ihre Konsumwünsche zu erfüllen. Die Artikel können oft günstiger angeboten werden, daher wird es für eine größere Zahl von Konsumenten möglich, diese zu erwerben. Hinzu kommt, dass viele Konsumenten das Thema Nachhaltigkeit mit in ihre Kaufentscheidung einbinden. Reverse Logistics beugt nicht nur der Entstehung von Unmengen an Müll vor, sondern vermeidet außerdem unnötige Transportwege, da die Ware direkt beim Verbraucher landet und nicht über Dritthändler womöglich noch in andere Länder transportiert wird.

Die Notwendigkeit von Gesetzen

Auch die EU arbeitet an gesetzlichen Regelungen, die das Wegwerfen verhindern sollen. Seit 1. Juni 2012 ist das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung in Kraft. Laut §5 dieses Gesetzes ist ein Stoff dann nicht mehr als Abfall einzuordnen, wenn er entweder ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat, für bestimmte Zwecke verwendet werden kann, eine Markt bzw. Nachfrage besteht, bestimmte technische und rechtliche Anforderungen erfüllt sind oder die Verwendung des Artikels unschädlich ist. Viele Artikel, die als Retoure zurück zu den Händlern kommen, erfüllen diese Kriterien und werden trotzdem entsorgt.

Im Dezember 2015 wurde ein überarbeitetes Paket zur Kreislaufwirtschaft vorgelegt. Dieses beinhaltet, dass die in Abfällen enthaltenen Wertstoffe sinnvoll wiederverwendet und recycelt werden und dann in die europäische Wirtschaft zurückfließen. Dies soll nicht nur zur Kreislaufwirtschaft beitragen, sondern gleichzeitig auch die Abhängigkeit der EU von Rohstoffimporten verringern.

Den ersten Schritt zur Vermeidung von Müll und der Förderung der Kreislaufwirtschaft initiiert die EU bereits mit dem geplanten Verbot mehrerer Einwegprodukte aus Plastik. In Zukunft werden vermutlich weitere Regelungen folgen, die den Handel und den Umgang mit Retouren beeinflussen könnten. Im Hinblick auf den Umweltschutz und die Voranbringung der Kreislaufwirtschaft ist es daher ratsam, sich bereits jetzt nach Alternativen umzuschauen und eine Umstellung frühzeitig vorzunehmen.